Interessantes

Historisches, aktuelles und informatives

John F. Kennedy – hatte er einen „Morbus Addison“ oder einen „Morbus Kennedy“?

John F. Kennedy ist einer der bekanntesten amerikanischen Präsidenten. Um ihn ranken sich viele Geschichten – Frauengeschichten und auch Krankengeschichten. Eine Biographie von Robert Dallek mit dem Titel: „John F. Kennedy – ein unvollendetes Leben“ gibt uns die Gelegenheit, die Krankengeschichte dieses überaus interessanten Mannes Revue passieren zu lassen.

Was ist ein Morbus Addison (Addisonsche Krankheit)? Addison beschrieb vor etwa 250 Jahren in London ein typisches Krankheitsbild, welches durch Zerstörung der Nebennieren durch Tuberkulose verursacht wurde. Heute bezeichnet man jede Form der primären Nebenniereninsuffizienz als M. Addison. Häufigste Ursache der Erkrankung ist heute die Zerstörung der Nebennieren durch Antikörper (Autoimmunadrenalitis). Die Nebenniere produziert nicht mehr genügend Cortisol, Aldosteron und DHEA. Patienten mit Morbus Addison leiden unter Gewichtsabnahme, Adynamie, Salzverlust, niedrigem Blutdruck, bei Frauen kann ein Libidoverlust aufgrund des Mangels an männlichen Hormonen bestehen. Weil ACTH aus der Hypophyse erhöht ist und dies die Hautbräunung anregt, sind die Patienten meist sehr gebräunt, auch an Nicht-Sonnen-exponierten Stellen.

Im Gegensatz zur primären Nebenniereninsuffizienz ist die sekundäre Nebenniereninsuffizienz eine Erkrankung der Hirnanhangdrüse. Hier fehl das adrenocorticotrope Hormon (ACTH) und die Patienten sind eher blass. Es kommt zu einem Mangel an Cortisol und auch zu einem teilweisen Mangel an DHEA. Die Bildung von Aldosteron ist etwas eingeschränkt, aber meistens noch ausreichend, so dass ein Salzverlust mit Hyponatriämie sowie eine Hyperkaliämie bei der sekundären Nebenniereninsuffizienz nicht auftreten.

Die Diagnose der Addisonschen Krankheit soll bei Kennedy 1947 durch einen Londoner Arzt gestellt worden sein. Nach allgemeinen Angaben soll er angeblich schon seit Jahren, wenn nicht seit Jahrzehnten, an dieser Erkrankung gelitten haben. Nach der Diagnose wurde ihm angeblich gesagt, dass er nur noch weniger als ein Jahr zu leben habe. Auch sei er während einer Seereise auf dem Weg von England nach USA im Oktober 1947 so krank gewesen, dass er sogar die letzte Ölung empfangen habe.

Was lässt sich eruieren? Nach Dallek hatte John F. Kennedy (Jahrgang 1917) seit den 30-er Jahren rezidivierende Magen- und Darmprobleme, die auch mehrfach mehrwöchig stationär behandelt werden mussten. Wegen einer Kolitis (Darmentzündung) erhielt er offensichtlich über längere Zeit Nebennierenhormone in höherer Dosierung.

Die beschriebene Nebenniereninsuffizienz ist somit wahrscheinlich – wie möglicherweise auch Kennedys fragliche Osteoporose mit starken Schmerzen in der Lendenwirbelsäule – auf die hochdosierte Therapie mit künstlichen Cortisonpräparaten zurückzuführen. Heute weiß man besser, dass eine lang andauernde Behandlung mit künstlichen Cortisonpräparaten aufgrund einer Unterdrückung des adrenokortikotropen Hormons aus der Hypophyse (ACTH) zur (passageren) Unterfunktion der Nebennierendrüsen führen kann.

Kennedy litt also (vermutlich) an einer (passageren) sekundären Form der Nebenniereninsuffizienz, verursacht durch eine langsame (reversible) Schrumpfung der Nebennierendrüsen infolge Inaktivität aufgrund hoher Dosen von künstlichen Cortisonpräparaten. Er litt nicht an der primären Form (M. Addison), bei der die Drüsen in einem meist schnell fortschreitenden Prozess zerstört werden.

Robert Kennedy gab deshalb während des Präsidentenwahlkampfes folgendes Statement ab, um seinen Bruder zu unterstützen: „John F. Kennedy hat die Erkrankung, die klassischerweise als Addisonsche Erkrankung benannt wird, also eine tuberkulöse Destruktion der Nebennieren, nie gehabt und hat sie auch aktuell nicht. Jede gegenteilige Behauptung ist falsch und bösartig.“

J. F. Kennedy wies laut Dallek 1958 in einem ACTH-Stimulationstest eine völlig normale Nebennierenfunktion auf. Damit war ein M. Addison sicher ausgeschlossen. Man könnte Kennedys Erkrankung (passagere sekundäre Nebenniereninsuffizienz nach hochdosierter Cortisoneinnahme) daher auch als „Morbus Kennedy“ bezeichnen.

Prof. Dr. med. Johannes Hensen

aus Glandula 19, 2004

http://www.glandula-online.de/uploads/tx_twdocdownload/glan19.pdf

Seiten 38-39

Prof. Dr. med. Johannes Hensen

Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie, Diabetologe DDG, Andrologie

zuletzt aktualisiert: 26.01.2016